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Deutsche Gesellschaft für Akustik e.V.
Arbeitsring Lärm der DEGA

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Wirklichkeit

Man könnte vermuten, dass wie bisher gezeigt, alle Voraussetzungen für eine sachgerechte Information über die Geräuschemission von Maschinen seit Jahren vorliegen, „Sell and Buy Quiet“ kein kritisch zu beleuchtendes Thema mehr darstellt und sowohl Maschinenersteller als auch Maschineneinkäufer die Vorteile inzwischen erkannt haben. Leider ist dies aber nicht der Fall.

Dies kann jeder erkennen, der einmal versucht, sich Maschinenkataloge von Herstellern zu besorgen, in denen neben den technischen Performancedaten der jeweiligen Maschine, selbstverständlich auch, wie in der MR unter 1.7.4.3 gefordert, Informationen über ihre Geräuschemission in sachgerechter Weise enthalten sind. Offen gestanden, man wird wenig Erfolg haben. Das Ergebnis wird etwas besser, besorgt man sich über das Internet die zur Maschine relevante Bedienungsanleitung. Dort ist es dann möglich, bei einem signifikanten Anteil der Bedienungsanleitungen Informationen zum „Lärm“ zu erhalten. Allerdings sind viele dieser Informationen nicht belastbar. Vielfach wird eine Terminologie verwendet, die nicht den Vorgaben der Gesetze entspricht. Häufig wird der Lärm in dB oder das Betriebsgeräusch in dB angegeben, ohne Bezug zu einer Norm. Damit ist dann nicht klar, ob es sich um den A-bewerteten Emissions-Schalldruckpegel oder zusätzlich den A-bewerteten Schallleistungspegel handelt. Beliebt sind auch Zahlenwerte in dB oder dB(A), die beim Kunden den Eindruck erwecken sollen, dass die Maschine etwas leiser ist als die unteren Auslösewerte der LärmVibrationsSchV, also z.B. „Betriebsgeräusch unter 78 dB(A)“. Das diese Angabe völlig unsinnig ist, wird nur von Wenigen erkannt. Hier wird einfach auf die Unkenntnis der Einkäufer vertraut.

In der europäischen Marktüberwachungsstudie „NOMAD“ [10] von ADCO Machinery wurden die auf die Geräuschemission bezogenen Inhalte der Betriebsanleitungen der im europäischen Wirtschaftsraum (EWR) angebotenen/verfügbaren Maschinen geprüft. Dabei wurden in 14 Mitgliedstaaten mehr als 1.500 Betriebsanleitungen von über 40 Maschinenarten und etwa 800 verschiedenen Maschinenherstellern untersucht! Das Ergebnis macht die Defizite besonders deutlich! Es zeigte sich, dass 80% aller untersuchten Angaben zur Geräuschemission nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprachen. Nur 16% der Angaben enthielten korrekte und verständliche Informationen und nur 4% entsprachen vollständig den Anforderungen und waren sehr gut verständlich.

Bei Maschinen, die zudem unter die OND fielen, war für die mit Grenzwerten belasteten Maschinen auffällig, dass viele Label den Grenzwert als Angabewert enthielten. Jeder kann das einfach nachvollziehen, schaut er sich mal die auf Gartengeräten wie Motorhacken oder Rasenmähern auf Labeln angegebenen Schallleistungspegel an. Die gewünschte Auswahl eines leisen Produktes ist dann leider nicht mehr möglich, wenn die Mehrheit der Maschinen angeblich denselben Geräuschemissionswert aufweist. Wie das in der Realität aussieht, ist z.B. einer Untersuchung der BAuA, Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, zu entnehmen [11]. Diese hat zur Prüfung, ob die im Gesetz festgelegten Anforderungen in der Praxis erfüllt werden, mit Unterstützung der Marktüberwachung einige Gartengeräte vermessen. Zusammenfassend, bleibt festzustellen, dass erhebliche Defizite identifiziert wurden und darauf hingewiesen wird, dass die Marktaufsicht hier aktiver sein müsste.

Dies ist nicht das erste Mal, dass die Marktaufsicht angesprochen wird. Leider muss man aber feststellen, dass der „schlanke“ Staat inzwischen so schlank ist, dass staatliche Prüfstellen kaum mehr existieren und insbesondere kompetentes Personal fehlt! Die vielfach geäußerte Meinung mancher Entscheidungsträger, dass man sich Kompetenz von außen einkaufen könnte, ist leider unrealistisch, wenn man sich die Frage stellt, wer in den Behörden die Kompetenz besitzt, eine sachgerechte Ausschreibung in diesem Bereich zu managen. Wenig seriös wird es, wenn am Ende dann eine der bekannten notifizierten Stellen beauftragt wird, die zuvor die Messungen für die Maschinenhersteller durchgeführt hat!    Wie sorgfältig manche notifizierte Stelle in Europa arbeitet, bzw. gearbeitet hat, zeigte sich in der besagten NOMAD-Studie. Dort musste leider festgestellt werden, dass 70% aller Geräuschemissionsangaben von Maschinen unter der OND, die zur Prüfung bei notifizierten Stellen waren, völlig falsch waren! Die ADCO NOMAD Task Force hat deshalb einen Leitfaden entwickelt [12], der Maschinenhersteller dabei unterstützen soll, sachgerechte Geräuschemissionsangaben zu erstellen.

Die Folge all dieser Defizite ist, dass

  • eine zielgerichtete Auswahl leiser Maschinen von Einkäufern kaum möglich ist,
  • die Durchführung einer belastbaren Gefährdungsbeurteilung durch den Käufer (Unternehmer) ebenfalls nicht möglich ist und
  • der Anreiz zur Entwicklung leiserer Maschinen gering ist und damit die Marktkräfte nicht wirken können, da kein Wettbewerb zwischen den Anbietern in diesem Bereich existiert.
  • Maschinenhersteller sehen keinen Nutzen in der Entwicklung leiser Maschinen, da Maschineneinkäufer meist nur auf die klassischen Performancedaten der Maschinen schauen;
  • Maschinenbetreiber, -einkäufer ignorieren den finanziellen Vorteil, der durch die Beschaffung vergleichsweise leiser Maschinen entsteht;
  • Geräuschemissionstestverfahren erscheinen als zu komplex und zu teuer;
  • ein Teil der Maschinenherstellerverbände möchte keinen transparenten Markt in Bezug auf die Geräuschemission, dabei kann man nicht billiger sein als die fernöstliche Konkurrenz. Man muss besser sein und dies auch zeigen;
  • die Marktüberwachung versagt wegen fehlender eigener Prüfstellen und fehlender fachlicher Kompetenz;
  • Arbeitsschützern fehlt die erforderliche Expertise zur Geräuschemission, außerdem werden sie in den Unternehmen häufig bei Beschaffungsvorgängen nicht beteiligt;
  • dB(A)-Werte für die Geräuschemission, -immission, -exposition sind verwirrend.

Gerade der letzte Punkt soll hier noch mal deutlicher hervorgehoben werden, indem die verschiedenen, relevanten, akustischen Kenngrößen in Bild 8 zusammengestellt werden.

Man erkennt schnell das Problem, achtet man allein auf die Hilfsmaßeinheit dB, die keiner klassischen physikalischen Maßeinheit wie m, kg, s entspricht. Die Folge ist, dass der akustische Laie alle Angaben in dB bzw. A-frequenzbewertet in dB(A) als die gleiche physikalische Größe interpretiert. Dies ist allerdings falsch. So handelt es sich bei den Emissionswerten um Kenngrößen die grundsätzlich unabhängig von der Aufstellungsumgebung der Maschine sind. Sie beschreiben die Eigenschaft der Maschine, Luftschall zu erzeugen.

Dabei ist der A-bewertete Emissions-Schalldruckpegel am Arbeitsplatz ein Wert, der allein den Direktschall auf den Arbeitsplatz beschreibt, wenn die Maschine in einem freien Schallfeld, d.h. keine anderen Schallquellen in der Umgebung und keine reflektierenden Oberflächen (z.B. Wände eines Raumes) außer dem Boden in der Nähe sind. Der Schallleistungspegel hingegen beschreibt die gesamte Luftschallenergie, die von einer Maschine im zeitlichen Mittel in die Umgebung abgestrahlt wird. Sein Wert liegt normalerweise mehr als 10 dB über dem für die Maschine gemessenen Emissions-Schalldruckpegel.

Betrachtet man den Bereich der Schallimmission in einer Arbeitsstätte wie z.B. einer Fertigungshalle, wird gerne der Schalldruckpegel LpA, genauer der zeitliche Mittelwert LpAeq, gemessen. Er beschreibt die am Messort insgesamt einwirkenden Schallanteile von allen Schallquellen in der Umgebung einschließlich dem Reflexionsschall. Wird er in der Nähe einer Maschine gemessen wird sein Wert üblicherweise 2-4 dB über dem Emissions-Schalldruckpegel am Arbeitsplatz der Maschine liegen. Last but not least der Tageslärmexpositionspegel: Hier handelt es sich um eine Kenngröße, die als A-bewerteter mittlerer Schalldruckpegel, bezogen auf eine acht-stündige Arbeitsschicht, die Schallexposition eines Beschäftigten an einem Arbeitsort oder über verschiedene Orte beschreibt. Hier geht also neben dem mittleren Schalldruckpegel auch noch die Einwirkungszeit mit ein. Im einfachsten Fall eines stationären Arbeitsplatzes eines Beschäftigten über 8 Stunden, entspricht er dem LpAeq über 8 Stunden und berücksichtigt wiederum alle in dieser Zeit auf den Arbeitsplatz einwirkenden Schallanteile. Somit liegt der Wert für eine volle Arbeitsschicht immer über dem Wert des A-bewerteten Emissions-Schalldruckpegels für den Arbeitsplatz an der Maschine. Für vertieftere Hinweise empfehle ich die Schrift der BAuA „Laut ist teuer“ [13].