Deutsche Gesellschaft für Akustik e.V.
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Das Schienenlärmschutzgesetz (SchlärmschG) von 2017 ist eines der wichtigsten deutschen Gesetze zum Schutz vor Schienenverkehrslärm. Es hat die Eliminierung der lauten Güterwagen mit Graugussklotzbremsen (GG-Wagen) auf dem deutschen Netz mit dem faktischen Fahrverbot für diese Fahrzeuge seit dem Fahrplanwechsel 2020/2021 erfolgreich abgeschlossen. Heutzutage ist nur noch eine verschwindend geringe Zahl von GG-Wagen auf dem Schienennetz unterwegs, wie die Jahresberichte des Eisenbahn-Bundesamts zur Durchführung des Gesetzes zeigen (siehe 2. Jahresbericht gemäß §10 Abs. 4 SchlärmschG).
Von insgesamt fast 68.000 kontrollierten Güterwagen wurden nur 56 Wagen mit GG-Sohlen identifiziert, das entspricht einem Anteil von 0,08 %. Gegenüber der vorherigen Fahrplanperiode ist dieser Anteil weiter gesunken.
Parallel dazu hat die Europäische Kommission im Jahr 2019 die „Durchführungsverordnung (EU) 2019/774 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1304/2014 in Bezug auf die Anwendung der technischen Spezifikation für die Interoperabilität des Teilsystems „Fahrzeuge — Lärm“ auf Bestandsgüterwagen (TSI NOI)“ beschlossen. Ab dem Fahrplanwechsel 2024/2025 gilt damit auf Schienenwegen, die als leise Strecken (quieter routes) ausgewiesen sind, grundsätzlich ein Betriebsverbot für Güterwagen, die nicht TSI NOI-konform sind. Faktisch ist damit der Betrieb der GG-Wagen in der Europäischen Union untersagt. Das Verbot gilt auf den so genannten „quieter routes“, den „leiseren Strecken“. Nach der TSI NOI gelten diejenigen Strecken als quieter routes, auf denen nachts durchschnittlich mehr als 12 Güterzüge verkehren. Auf diese Weise werden die aktuell lautesten Strecken des europäischen Transportnetzes erfasst. Das mag von der Begrifflichkeit irreführend sein. Es bedeutet jedoch, dass damit zum Schutz vor Lärm der sonst geltende Bestandsschutz für zugelassene, wenngleich nicht mehr umweltfreundliche Produkte – hier Güterwagen mit Grauguss-klotzbremsen – aufgehoben wird.
Die Mitgliedstaaten haben die Vorgaben der Durchführungsverordnung bis zum Fahrplanwechsel 2024/25 zu implementieren, das ist in Deutschland der 14.12.2024. Da das europäische Recht Vorrang vor den nationalen Regelungen hat, ist das deutsche SchlärmschG zu modifizieren.
Die Bundesregierung hat inzwischen einen entsprechenden Entwurf eines Gesetzes zum Schienenlärmschutz (SchlärmschG) vorgelegt, der als Bundesrats-Drucksache 130/24 vom 15.03.2024 unter dem Link https://dserver.bundestag.de/brd/2024/0130-24.pdf online verfügbar ist. Der Bundesrat hat den Entwurf noch nicht beraten. Die Bundesregierung hat gegenüber der allgemeinen Vorgabe der Verordnung die Pflichten der Eisenbahnverkehrs- (EVU) und Eisenbahninfrastrukturunternehmen (EIU) präzisiert. Die Betreiber von Güterverkehr unterliegen z.B. der Anzeigepflicht, ob sie GG-Wagen einsetzen, die EIU haben die Prüfpflicht, ob das Gesetz in der Realität eingehalten wird. Das Eisenbahn-Bundesamt ist die zuständige Überwachungsbehörde, die Zwangs- und Bußgelder bei Verstößen festsetzen kann.
Da die EU-Verordnung lediglich die auszuweisenden quieter routes erfasst, das geltende Schienenlärmschutzgesetz für das gesamte deutsche Schienennetz gilt, stellt sich die Frage, ob dadurch der Schutz vor Schienenverkehrslärm vermindert wird (siehe dazu auch Tagesspiegel Background Verkehr vom 11.03.2024). Dazu meint die Bundesregierung: „Mit einer relevanten Zunahme des Schienenverkehrslärms ist trotz des dann räumlich begrenzteren Geltungsbereichs des Betriebsverbots nicht zu rechnen. Hierfür spricht insbesondere die hohe Umrüstungsquote bei Bestandsgüterwagen.“
Es ist aber grundsätzlich nicht auszuschließen, dass lokale Transporte auf dem Nebennetz wieder mit GG-Wagen abgewickelt werden. Dies gilt es nach dem Inkrafttreten des Gesetzes genau zu beobachten, damit u.a. der Europäischen Kommission, die die Umsetzung der leiseren Strecken bis zum 31. Dezember 2028 zu bewerten hat, die erforderlichen Informationen zur Verfügung stehen.